Geschichte des Chicago Columbia Clubs
Es ist das Jahr 1893, Chicago ist in heller Aufregung und die ganze Welt schaut zu. Die Stadt ist voller Touristen und Abenteurer. Tausende drängen sich durch die Straßen um die ‚Weiße Stadt’ und ihre Wunder zu sehen. Die World’s Columbian Exposition bringt mit 46 ausstellenden Ländern und 26 Millionen Besuchern die Welt nach Chicago und verwandelt die Stadt für 6 Monate (1. Mai bis 30. Oktober) in eine der faszinierendsten Metropolen ihrer Zeit.
Die Planung der World’s Columbian Exposition liegt unter der Leitung von Daniel Burnham ganz in männlicher Hand und ist in seiner Ausführung eine Demonstration von Stärke und des Glaubens an den industriellen Fortschritt. Das deutsche Unternehmen Krupp ist mit einem gesonderten Pavillon vertreten und zeigt selbstbewusst die eigens importierte, damals größte Kanone der Welt. Der offizielle deutsche Pavillon hingegen setzt den Schwerpunkt auf zeitgenössische Malerei und Skulptur und damit auf deutsche Kultur als Exportgut.
Die Weltausstellung ist ein einflussreiches soziales und kulturelles Ereignis, das internationale Persönlichkeiten nach Chicago bringt. In dem von der Architekin Sophia Hayden gestalteten Woman’s Building kuritiert die Berliner Politikerin und Frauenrechtlerin Anne Schepeler-Lette die deutsche Abteilung und eine deutsche Professorin übermittelt zur Eröffnung die Grußworte der Kaiserin.
Im Chicago auf der Schwelle zum 20. Jahrhundert spielt die deutsche Kultur eine große Rolle. Jeder vierte Einwohner ist deutscher Abstammung, in den öffentlichen Schulen wird Deutsch unterrichtet und den Vorsitz des School Boards führt der deutschstämmige Lorenz P. Brentano. Ganze Wohngebiete sind fest in deutscher Hand und den Einwohnern stehen vier deutschsprachige Tageszeitungen zur Verfügung.
Dies ist der Hintergrund, vor dem sich am 4. April 1893 eine Gruppe von Frauen in der Orpheus Halle des Schiller Gebäudes trifft. Es sind gut situierte und gebildete Damen aus der Bürgerschicht Chicagos. Sie sprechen fließend Englisch und Deutsch. Gemeinsam ist ihnen, dass sie entweder in Amerika geboren oder als junge Mädchen nach Amerika gekommen und nun fest in die amerikanische Kultur integriert sind. Sie haben Ehemänner, die in der Geschäftswelt, Politik oder Bildung ein hohes Ansehen haben und sprechen sich gegenseitig mit dem Vor- und Nachnamen des Ehegatten an. Der Umgang ist eher formell als freundschaftlich und ihre Anwesenheit ist Ausdruck ihres hohen sozialen Status innerhalb der Chicagoer Gesellschaft. Der von diesen Damen neu gegründete Klub mit nun 40 Mitgliedern formuliert seine Statuten und die Höhe des Jahresbeitrags wird auf vier US Dollar festgelegt. Dies ist die Geburtsstunde des Columbia Damen Klubs, der später in Chicago Columbia Club umbenannt werden wird.
Die Versammlung im Schiller Gebäude dient dazu, zu entscheiden, welche Persönlichkeiten aus Deutschland zu einem im Rahmen der Weltausstellung geplanten Bildungskongress eingeladen werden sollen. Dorothea Boettcher, Journalistin, Dichterin und Feministin, führt die Diskussion. Die Wahl fällt auf die bekannte Aktivistin der Frauenbewegung, Käthe Schirmacher, die sich in Chicago aufhält, um an dem Frauenkongress der Weltausstellung teilzunehmen. Ihre Rede auf dem Bildungskongress wird sie auf English unter dem Titel ‚Why are German Universities the last to open up for women?’ halten.
Den Damen der ersten Stunde ist es wichtig, einen Rahmen zu schaffen, der dem intellektuellen Austausch und der Förderung von Kunst und Wissenschaft dient. Der Klub finanziert Käthe Schirmacher einen längeren Aufenthalt in Chicago und richtet ein Stipendium an der Universität von Chicago ein. Die ersten Protokolle der Sitzungen zeigen den Versuch, die Ziele des Klubs genauer zu definieren. Es gibt Überlegungen, den Kontakt mit der amerikanischen Frauenbewegung zu verstärken, in die feministische Diskussion einzutreten und den Schwerpunkt der Klubtätigkeit auf Wohltätigkeit zu verlagern. Es wird sich dann aber doch darauf geeinigt, dass das Hauptziel des Klubs die Förderung der deutschen Sprache und Kultur sein soll.
Man trifft sich zu monatlichen Veranstaltungen mit musikalischen Darbietungen, intellektuellen Diskussionen, literarischer Unterhaltung und zu einem jährlichen ‚English Afternoon’ mit geladenen Gästen. Bis 1910 finden diese Veranstaltungen überwiegend in dem Germania Club Haus, danach bis 1924 in Martin’s Hall, 2752 Hampden Court, ab 1934 im Edgewater Beach Hotel und später auch im Walnut Room in Marshall Fields statt. Erst im Oktober 1974 wird der Woman’s Athletic Club zu einem ständigen Zuhause.
Kriegszeiten verändern das Klubleben und die Mitglieder konzentrieren sich zunehmend auf wohltätige Zwecke in Chicago, Deutschland und Österreich, wo der Klub Mittel für verwaiste Kinder und Witwen bereitstellt. Im Jahr 1917 tritt der Klub der Federation of Woman’s Clubs bei und wird oftmals Gastgeber für deren Veranstaltungen.
In den 20er und frühen 30er Jahren arbeitet der Klub eng mit einer Armenküche in Karlsruhe und dem Deutschen Roten Kreuz in Berlin zusammen. Gleichzeitig unterstützt er deutsches Theater in Chicago und den Chicago Scholarship Fund, dessen Mittel dazu verwendet werden, dem durch den Krieg ausgelösten Ruf nach Abschaffung des Faches Deutsch an den High Schools und Colleges entgegenzuwirken. Die Tradition der Förderung der deutschen Kultur an Hochschulen wird bis zum heutigen Tag in Form von Stipendien für ausgezeichnete Studenten des Departments of Germanic Studies an der University of Illinois in Chicago fortgesetzt.Während des zweiten Weltkrieges beschließt der Vorstand in Zusammenarbeit mit amerikanischen Frauenklubs, das amerikanische Rote Kreuz zu unterstützen und ist so erfolgreich im Sammeln von Geldern, dass der Klub zusätzlich CARE Pakete nach Deutschland senden kann.
Über die Jahre hat der Klub viele nationale und internationale Persönlichkeiten zu Gast. Große Namen aus Kunst, Literatur und Musik tauchen in den Programmen auf.
Mit seinen anspruchsvollen Vorträgen und Darbietungen gelingt es dem Chicago Columbia Club seit 125 Jahren immer wieder, neue Mitglieder zu gewinnen und zugleich eine enge, oft über Jahrzehnte bestehende Verbundenheit zu jedem einzelnen Mitglied zu bewahren.
Alexandra Endsely
Sabine Hinrichs